Social Entrepreneurs – gekommen um zu bleiben.

Und woher weiß ich, ob ich einer bin?

Gastbeitrag von Dr. Constanze Stockhammer, Geschäftsführerin von SENA

Social Entrepreneurship, was verbirgt sich hinter diesem sperrigen neudeutschen Ausdruck? Warum greift es zu kurz, das Ganze mit Sozialunternehmertum zu übersetzen? Und woher weiß ich, ob ich dazu gehöre?

Social Entrepreneurs sind Menschen, die Ideen zur Lösung gesellschaftlicher wie ökologischer Probleme haben und diese auch umsetzen wollen. Um die Umsetzung zu finanzieren, verfolgen sie unternehmerische Ansätze, d.h. sie verkaufen, wie jedes andere Unternehmen auch, Produkte und Dienstleistungen am Markt. Den Gewinn verwenden sie, um ihr Wirkungsprojekt realisieren zu können. Damit steht bei ihnen die Wirkung, der Impact, ganz an vorderster Stelle, man spricht auch von Impact First Ausrichtung. 

Zwischen den Welten

Was auf den ersten Blick so leicht und naheliegend ist, stellt die Social Entrepreneurs in der Realität vor große Herausforderungen. Denn Social Entrepreneurs befinden sich auch heute noch immer im Vakuum zwischen zwei Stühlen, wo sie doch eigentlich das Beste aus zwei Welten in sich zu vereinen suchen. Während die klassische Wirtschaft ihnen aufgrund ihrer Impactausrichtung die grundsätzliche wirtschaftliche Tragfähigkeit abspricht und mehr in das Spendeneck verbannen möchte, sieht sie die klassische Gemeinwohlökonomie mehr im kapitalistischen Ideologiespektrum verhaftet, da schließlich Gewinn erwirtschaftet wird, und wer Gutes tut, darf in unserer Gesellschaft nicht dafür Geld erhalten, gar davon leben können.

Unter dem Strich führt das dazu, dass es Social Entrepreneurs schwer haben. Sie müssen sich und ihr Konzept immer wieder erklären und unter Beweis stellen. Gerade Geldgeber finden sich nur schwer, Banken und Investoren sind sie zu unprofitabel, Stiftungen und anderen Philanthropen zu wenig gemeinnützig. Doch was heißt Gemeinnützigkeit? Sollte das nicht vielmehr daran geknüpft werden, was man tut und was man bewirkt, als wie man es finanziert? Und ist ein langsam, aber stetig wachsendes Geschäftsmodell, das noch dazu eine gesellschaftliche Rendite erwirtschaftet, wirklich weniger attraktiv als ein schnelles ökonomisches Leuchtfeuer, das eventuell auch genauso schnell wieder verblasst?

Was war meine Leistung?

Damit führen uns Social Entrepreneurs bis zu einem gewissen Grad auch dahin, die aktuelle Form unserer Leistungsbeurteilung zu  hinterfragen. Ist nur das gut, was Geld bringt? Und wofür ist Geld in Form von Gewinn gesellschaftlich gesehen eigentlich gut, wenn es nur dem Individualwohl einzelner Wirtschaftstreibender dient und nicht für das Gemeinwohl herangezogen wird? Gut, es werden damit Steuern bezahlt, die wiederum für Sozialleistungen verwendet werden. Aber was, wenn diese Sozialleistungen direkt von den Unternehmen erbracht werden? Ist es dann nicht nur legitim, dass sie nicht die gleiche ökonomische Performance erbringen müssen, weil sie ihren Beitrag ohne Umwege über Steuern direkt leisten? Und ist es nicht gut, wenn Sozialleistungen nicht nur Geld kosten, sondern sich auch zumindest zum Teil selbst finanzieren? 

Ich denke, das ist eine Überlegung, die es wert ist, angedacht zu werden. Gerade auch, wenn wir uns mit den aktuellen und vor allem zukünftigen Herausforderung unserer Gesellschaft konfrontiert sehen. Social Entrepreneurs zeigen hier einen alternativen Weg auf. Es ist nicht der einzige Weg, aber ein sehr interessanter. Für diesen Anspruch sollten sie, wenn schon keine Unterstützung, dann zumindest keine Widerstände vorfinden, wenn schon kein Lob, dann doch keine Schmährede. Aber das Konzept ist relativ neu, zumindest in den Köpfen, in Wirklichkeit gibt es solche Ansätze schon länger, nur gerade jetzt sind sie so dringlich und damit weitverbreitet wie noch nie. Alles, was neu ist, ist anders, und alles was anders ist, verursacht Unbehagen und damit zunächst einmal Ablehnung.

“Umso wichtiger ist es, das Konzept von Social Entrepreneurship bekannt und gesellschaftsfähig zu machen.”

DR. CONSTANZE STOCKHAMMER

Wenn es als Teil der Normalität wahrgenommen wird, wird man auch seine Beiträge und seinen Mehrwert besser anerkennen können und anfangen darüber nachzudenken, wie man gute Rahmenbedingungen schaffen kann, um diese Entwicklung besser zu unterstützen. Seien es Rahmenbedingungen in der Finanzierung, der Förderung oder auch in der Bewertung von unternehmerischer Leistung. 

Gekommen, um zu bleiben

Social Entrepreneurs sind gekommen um zu bleiben. Die Zahlen sprechen dafür. Bereits jedes vierte neu gegründete Startup in Europa ist bereits ein Social Business (Austrian Startups Monitor, 2021). Die Grundgesamtheit der rund 2.400 Social Enterprises in Österreich wächst also stetig an. Schon alleine deshalb ist das keine wegzunegierende Größe. Die Beiträge der Social Entrepreneurs werden zudem heute dringender gebraucht denn je.

Wer kennt nicht die 17 Sustainable Development Goals, die die UNO als zentrale Zielsetzungen aufgestellt hat, um den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen? Zunehmende ökonomische Ungleichheiten, Überalterung der westlichen Gesellschaft, klima- und kriegsbedingte Migrationsströme, Ressourcenknappheit, Vereinsamung, gesellschaftliche Spaltung, nur um einige wenige Dinge zu nennen. All das sind Entwicklungen, derer der Staat oder die Wohlfahrtsökonomie alleine nicht mehr Herr werden kann. Social Entrepreneurs entwickeln innovative Ansätze, wie diesen Herausforderungen kostensparend begegnet werden kann. Gemeinsam mit den Betroffenen arbeiten sie an Lösungen, um Armut zu reduzieren, ausgegrenzte Gruppierungen in die Gesellschaft zu holen, die Wirtschaft sozial und ökologisch verantwortlicher zu machen und für Bildungsgerechtigkeit zu sorgen. 

Damit liefern sie auch Anregungen für Staat und Wohlfahrt, einige dieser innovativen Konzepte zu übernehmen und in die Breite zu bringen oder erweitern selbst, durch Social Franchising und andere Skalierungsmaßnahmen ihren Wirkungskreis.

“Verglichen mit den schnell wachsenden Startups, so genannten Unicorns oder Gazellen, entfalten sie ihr ökonomisches Potential meist langsamer, dafür organischer und sind in der Regel ihrem Standort treu, da sie oft vor Ort ihre Wirkung erbringen und dort ihre begünstigten Zielgruppen zu Hause sind. ”

DR. CONSTANZE STOCKHAMMER

Social Entrepreneurs und ihr Beitrag für die Regionen

Das wirkt sich insbesondere positiv auf den ländlichen Raum aus. Hier ist auch eine besonders hohe Dunkelziffer an Social Entrepreneurs zu finden. Das sind Unternehmer*innen, die den Ansatz einfach verfolgen, aber nicht wissen, dass es sich dabei um Social Entrepreneurship handelt. Mit ihren innovativen Ansätzen tragen sie zur Verbesserung der regionalen Community bei, wenn sie Leerstände bespielen, Ortskerne und die Wirtschaft beleben, Infrastrukturen schaffen und so unter dem Sprich für Bedingungen sorgen, die ein Leben und Arbeiten in der Region wieder attraktiver machen. Deshalb ist es so wichtig, für diese Unternehmer*innen entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen und sie mit Know-how, Geld und Beratung vor Ort zu unterstützen. Denn gerade im ländlichen Raum, fern der großen städtischen Ballungsgebiete, gibt es kaum Strukturen und Kompetenzen, die innovative Unternehmensgründungen, geschweige denn Social Entrepreneurs, ermutigen, unterstützen und fördern. Im Gegensatz zu klassischen Startups ist für Social Entrepreneurs eine Abwanderung in städtische Gebiete, wo sie alle das eher vorfinden, oft nicht möglich, schließlich sind ihr Wirkungsfeld und ihre Zielgruppe vor Ort.

Sozialunternehmen vs. Social Enterprise

Schließlich, warum ist es besser, nicht von Sozialunternehmertum zu sprechen? Das liegt vor allem im deutschen Wörtchen „sozial“ begründet. Im deutschsprachigen Raum assoziiert man damit meistens Wohlfahrtsstaat, Sozialleistungen und Charity, nicht gewinnerwirtschaftendes Unternehmertum. Dieses steht in der Wahrnehmung meist im Widerspruch mit Markt und Preis, denn für Sozialleistung ist in unseren Breiten der Staat zuständig oder die großen Wohlfahrtsträger wie Caritas, Volkshilfe und Co. Der englische Begriff „social“ lässt sich im Deutschen eher mit gesellschaftlich im weitesten Sinne übersetzen und sollte das auch getan werden, ansonsten ist es besser beim englischen „Social Entrepreneurship“ zu bleiben. 

Solltest du das Gefühl haben, eine Social Entrepreneurin zu sein, so hast du in Österreich nun endlich die Möglichkeit, dies auch nach außen zu zeigen, indem du das ‘Verified Social Enterprise’ Label beantragst. Mehr Infos dazu gibt es hier.

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